Francis Ngannou: Manchmal zweifle ich, ob ich überhaupt noch Champion bin.
Keine fünf Monate lang konnte sich Francis Ngannou als unangefochtener UFC-Champion im Schwergewicht fühlen, dann krönte die UFC mit Ciryl Gane einen Interims-Titelträger in der Gewichtsklasse. Eine klare Entwertung des Titels und auch des Champions.
„Ich habe das Gefühl, nicht respektiert zu werden“, sagte Ngannou in einem Interview mit der GQ. „Sie haben mir gerade erst den Schwergewichts-Titel gegeben und Monate später reden sie von einem neuen Champion. Ich bin mir manchmal nicht einmal sicher, ob ich überhaupt der Champion bin oder nicht. Es ist sehr verwirrend.“
Ngannou hatte 2018 das erste Mal um den Schwergewichtstitel gekämpft und anschließend schnelle Siege gefeiert und lange Auszeiten über sich ergehen lassen, während Stipe Miocic die Trilogie gegen Daniel Cormier abschloss. Im März schlug er Miocic K.o. und sicherte sich den Titel. Gerne wäre er auch bereit gewesen, den Gürtel im Herbst zu verteidigen, er wollte nur ein wenig Zeit. Die UFC hatte es eilig.
„Es ist ein Geschäft und die UFC wollte einen PPV in Houston. Es war nicht das richtige Timing für mich, aber sie wollten es trotzdem. Ich wurde nach einem Kampf im September gefragt und habe zugesagt, dass ich mehr als bereit wäre. Plötzlich sehen wir etwas von einem Interims-Titel. Keine Ahnung, was wirklich passiert ist, es kommt alles von der UFC, nur sie weiß, was wirklich vorgeht.“
Kaum hatte sich Ngannou den Schwergewichtstitel gesichert, begann die UFC bereits, Jon Jones als Gegner ins Gespräch zu bringen. Nachdem diese Pläne zum Stillstand kamen, wechselte der Fokus auf Derrick Lewis als Herausforderer. Ngannou glaubt, dass die UFC eher auf das Geschäft und den Herausforderer geachtet hätte als auf den Titelträger.
„Ich bin der Champion und ich will der Champion sein. Aber je weiter man in diesem Sport kommt, desto mehr Politik bekommt man mit. Die Geschäftsseite ist nicht sehr nett. Nicht so leicht wie der Sport an sich. Vor meinem Stipe-Kampf sprach die UFC nur darüber, dass der Sieger gegen Jon Jones kämpft, das kam nie zustande. Und jetzt stehen wir hier, mit einem Interims-Titel und allem.“
Wie Ngannou weiter ausführt, wollte die UFC bereits vor dem Titelgewinn seinen Vertrag verlängern, der Kameruner lehnte die Verlängerung jedoch ab, da sie nicht seinen Vorstellungen entsprach und er sich von seinem vorherigen Vertrag unterbezahlt fühlt. Nichtsdestrotrotz glaubt Ngannou, dass sich schon irgendwie alles einrenken würde.
„Wer glaubt, die UFC und ihre Geschäftspraktiken zu verstehen, der versteht überhaupt nichts. Die UFC kann sehr spontan sein, sehr verfrüht und die Entscheidungen sind überhaupt nicht vorherzusehen. Sie tauchen einfach auf, Boom. Schlussendlich wird es schon irgendwie geregelt, es ist nur eine Frage der Zeit.“
Nun gehen die Verhandlungen mit der UFC von vorne los, dieses Mal für einen Kampf gegen Ciryl Gane um die beiden Titel zu vereinigen. Bereits jetzt wird die Geschichte um die einstigen Teamkollegen als Grundlage der Promo genutzt. Übertrieben, findet Ngannou. Immerhin kennt man sich kaum.
„Wir haben 2019 vielleicht einen Monat lang zusammen trainiert, bevor ich gegen Junior dos Santos gekämpft habe. Eigentlich kennen wir uns kaum. Unser Verhältnis wird sehr aufgebauscht. Wenn ich manche Geschichte höre, erkenne ich mich darin kaum wieder und frage mich, ob sie sicher sind, dass sie über mich sprechen. Ich habe schon gehört, wir sollen vor meinem Overeem-Kampf trainiert haben, der war zwei Jahre, bevor ich Gane überhaupt kennengelernt habe. Das stimmt also einfach nicht.“
Trotz all dem Frust der letzten Monate will Ngannou ohne Emotionen in seinen nächsten Kampf gehen. Seinen jüngsten Ärger konnte er immerhin am Filmset des kommenden Jackass-Filmes herauslassen. Dort wurde er für einen Stunt angeheuert, einem der Darsteller mit voller Kraft unter die Gürtellinie zu schlagen. Quasi das auszuteilen, was er derzeit von der UFC einstecken muss.