Michael Chandler: Man kann nur in der UFC die Nummer 1 werden.
Drei Mal gewann Michael Chandler den Bellator-Titel im Leichtgewicht. Den Stellenwert als weltweit bester Kämpfer bis 70 Kilogramm, der wurde ihm jedoch stets versagt. Zu klein die Liga, eben nicht die UFC. Nun ist Chandler in Windeseile vom Bellator-Veteranen zum UFC-Titelkandidaten hochgeschossen und hofft, mit einem Sieg der Welt das zu zeigen, was er schon immer denkt, dass er der Beste der Welt ist.
Chandler tritt dabei mit einem nicht ganz eigenen Slogan zum Titelkampf bei UFC 262 an: „See you at the top“, auf Deutsch „Wir sehen uns am Gipfel.“ Denn Chandler ist es wichtig, als einer, wenn nicht sogar als der beste Kämpfer im Sport angesehen zu werden. Und das geht trotz zahlreicher Siege bei Bellator nur in der UFC.
„Der Gipfel war schon immer UFC-exklusiv. Jeder, der etwas anderes denkt, belügt sich selbst“, sagte Chandler in einem ESPN-Interview. „Ich weiß, wovon ich rede. Ich war lange nicht in der UFC. Es ist etwas komplett Anderes. Der Kader ist so viel tiefer. Nicht nur im Leichtgewicht, in jeder Gewichtsklasse. Alles ist viel größer. […] Ich wusste immer, dass ich einer der Besten bin, aber solange man das nicht im Octagon beweist, bleibt es nur ein Lippenbekenntnis. Man kann nur in der UFC die Nummer 1 werden.“
Das wurde ihm vor allem immer wieder in der Öffentlichkeit zu verstehen gegeben. Chandler erinnert sich schmerzhaft daran, dass er trotz mehrerer Titel bei Bellator im Vergleich mit seinen Teamkameraden aus der UFC stets übersehen wurde. Das hat sich mit seinem Sieg über Dan Hooker geändert.
„1000 Prozent. Schon mit der Ankündigung von Dana White auf ESPN hat sich viel geändert. Und noch viel mehr, seit ich Dan Hooker in der ersten Runde besiegt habe. Davor habe ich viel Ablehnung bekommen. Es gab viel Kritik, als man mich als Ersatz für den Titelkampf im Herbst nominiert hatte, weil mich keiner kannte und ich aus der ‚zweiten Liga‘ hochkomme. Aber im Hinterkopf wusste ich bei jedem dieser Kommentare, dass ich diese Leute mit genug Zeit von mir überzeugen kann.“
Und dazu hat Chandler schon am Samstag Gelegenheit. Dabei wurde der Amerikaner selbst davon überrascht, wie schnell es für ihn ins Titelrennen geht. Doch Chandler will nun einfach die Chance am Schopf packen und sich schon im zweiten UFC-Kampf zum Champion krönen.
„Ich dachte, es würde drei oder vier Kämpfe dauern, bis ich um den Titel kämpfen kann. Aber das lag daran, dass ich nicht mit zu hohen Erwartungen herangehen wollte. Ich wollte nicht mit dem Gedanken in die UFC kommen, dass es so schnell geht, und dann enttäuscht werden. […] Das Leben hat mir immer wieder gezeigt, dass ich mich nicht beschränken soll. Ich habe immer viel erreicht und ich habe viel dafür gearbeitet. Man soll das Leben einfach in vollen Zügen leben. Daher sage ich jetzt ganz bescheiden, ich bin nicht überrascht. Ich kann es zwar immer noch nicht glauben und muss oft an den Anruf von Dana White zurückdenken, aber jetzt habe ich sieben Wochen später die große Chance und ich bin so sicher wie nie, dass ich sie nutzen und dominieren werde.“
Chandler hatte nach seinem Sieg über Dan Hooker im Januar Khabib Nurmagomedov zum Kampf herausgefordert. Da dieser jedoch nicht von seinem Rücktritt abrücken möchte, muss er nun an Charles Oliveira vorbei. Auch wenn er nicht den amtierenden Champion entthront, wird sich Chandler nach einem Sieg als wahrer Champion fühlen.
„Ja. Und zwar weil es so im Sport läuft. Ob im Einzel- oder Teamsport, es gibt immer Veränderungen, neue Leute an der Spitze, Sportler hören auf und so weiter. Aber natürlich, als Athlet hätte ich gern gegen Khabib gekämpft. Das ist der Typ, den ich entthronen wollte. Falls er je zurückkommt, bin ich mir sicher, wäre er danach ‚29 zu Chandler‘. Aber ja, wenn ich Oliveira schlage, fühle ich mich als Champion, so ist die Natur dieses Sports und Sport generell. Sonst wäre niemals jemand nach einem Rücktritt ein echter Champion geworden.“
Dabei kommt es bei UFC 262 zu einem Duell der Gegensätze. Der eine, Oliveira, hat sich zehn Jahre lang in der UFC hochgearbeitet, bis er die Chance erhielt. Der andere, Chandler, ging den Umweg über Bellator MMA in Richtung Titelkampf. Selbst Chandler ist dabei von Oliveiras Weg in den Titelkampf beeindruckt.
„Wie kann man so eine Underdog-Story nicht lieben? Man muss seine Geschichte einfach lieben. Ich habe 2009 mit dem Kämpfen begonnen, er ist seit 2010 in der UFC. Ein Junge aus Brasilien, der mit dem Traum vom Titel in die UFC kam und eine Dekade für die Chance gebraucht hat. Es ist cool, dass unsere Geschichten so unterschiedlich sind. Der eine hat sich in der UFC hochgearbeitet, der andere außerhalb.“
Und Chandler ist gewarnt. Oliveiras jüngste Siegesserie und sein Kampfstil versprechen einen spannenden Vergleich um den Titel. Der Amerikaner ist sich der Gefahr seines Gegenübers bewusst, geht indes seht selbstsicher in das Duell und davon aus, am Ende des Kampfabends der neue Champion im Leichtgewicht zu sein.
„Seine Entwicklung als Kämpfer, sein Striking, ist beeindruckend. Er ist der gefährlichste Kämpfer der Welt auf der Matte. Nicht nur, weil er den UFC-Rekord für Submissions hält, auch seine Vielseitigkeit, dass er in jeder Sekunde des Kampfes finishen kann. Sobald Charles Oliveira nur auf eine Armlänge herankommt, ist man in Gefahr. Er kann einen hochheben, auf die Matte bringen oder in eine verrückte Submission einrollen, das reizt mich, das beunruhigt mich.“
„Sobald mein Handschuh ihn berührt, wird er merken, was für ein Kämpfer ich bin. Er hat in seiner Serie, in seiner Karriere noch gegen niemanden gekämpft, der meine Power und Schnelligkeit hat. Am Boden habe ich mit BJJ-Schwarzgurten wie Gilbert und Herbert Burns oder Vagner Rocha trainiert, ich habe gegen BJJ-Schwarzgurte gekämpft, ich habe einen sechsten Sinn, nicht in eine Submission zu geraten und außerdem kurze Arme, kurze Beine und einen kurzen Hals.“