Niklas Stolze: Meine Karriere geht jetzt erst richtig los!
Am Samstag erfüllt sich der große Traum von Niklas Stolze. Der Magdeburger wird dann in Abu Dhabi zum ersten Mal in seiner Karriere das Octagon der UFC betreten und auf Ramazan Emeev treffen. Vor dem Kampf sprach Stolze mit GNP1.de über die Rahmenbedingungen auf „Fight Island“, die Signalwirkung seines Kampfes für seine Region und die Hoffnungen für die eigene Zukunft und die der deutschen MMA-Szene.
GNP1.de: Niklas, wir befinden uns gerade mitten in einer globalen Pandemie und du sitzt in einem Hotel in Abu Dhabi und stehst zwei Tage vor deinem UFC-Debüt. Hast du schon realisiert, was gerade alles passiert?
Niklas Stolze: Ja…ein, also schon. Ich bin erstaunlich ruhig. So richtig fassen kann ich es aber irgendwie nicht. Das, was die UFC hier macht, ist ja auch schon etwas Besonderes.
Vor 18 Tagen wurde bekannt, dass du den Kampf bekommst, jetzt bist du schon fast eine Woche unterwegs. Wie waren die letzten Tage für dich? Auch mit der Quarantäne in London und jetzt in Abu Dhabi?
War ganz schön stressig. Sascha [Poppendieck, Anm. d. Red.] und ich haben ganz schön geschwitzt die letzten Tage. Aber das gehört hier eben dazu. Es war mir klar, weil ich mich schon ein wenig damit beschäftigt, wie das jetzt hier abgeht. Ich habe das Event eh verfolgt, weil mit Robert Whittaker und Darren Till zwei meiner Lieblingskämpfer antreten. Auch mit den Events davor wusste ich in etwa, was hier so passiert. Aber das ich selbst Teil davon bin, damit habe ich nicht gerechnet. Wenn ich jetzt mal zurückblicke, genau vor sechs Wochen war ich noch in Frankreich auf Montage und jetzt bin ich hier. Das ist schon verrückt.
Du hast in den sozialen Netzwerken ja schon einen Einblick hinter die Kulissen gegeben, aber wie lief es in den letzten Tagen ab?
Für uns Europäer ging es erstmal nach London, das ist der Dreh- und Angelpunkt, da waren wir das erste Mal in Quarantäne und wurden zwei Mal auf Covid getestet. Danach ging es ins Hotel, da hatte jeder ein Einzelzimmer, auch Coaches. Das war sehr stressig, das Essen dort, das war so furchtbar und die Umstände waren eher mittel. Also ich hatte meine Playstation und Bücher dabei und ein paar Sachen fürs Home-Workout, das waren wir ja schon gewohnt. Im März kam der Shutdown, die Gyms waren zu und da habe ich mich eh immer zuhause fit gehalten, das war okay. Dann ging es mit dem UFC-Charter nach Abu Dhabi, was eine der krassesten Erfahrungen für mich überhaupt war, nur für 40 Leute. Ich bin das erste Mal in meinem Leben Business Class geflogen. In Abu Dhabi wurden wir in Teams aufgeteilt und waren dann wieder 48 Stunden in Quarantäne, auch hier noch Tests gemacht, ich glaube drei. Ich hatte eigentlich geplant, noch meinen Trainer Gerson Carvalho mitzunehmen, aber der durfte Fight Island leider nicht betreten, weil er erst noch 14 Tage in Quarantäne gemusst hätte, aber das ist ein anderes Thema.
Und in Abu Dhabi selbst?
Seit Montag können wir uns frei bewegen. Da haben wir so ein Bändchen bekommen, das anzeigt, dass wir uns auf Yas Island normal bewegen können. Das ist eine kleine separate Insel in Abu Dhabi, wo es etwa diese Ferrari World und die Rennstrecke gibt. Das Hotel hier ist aber erstklassig. Wir haben Zugang zum Restaurant, das wird mit einer speziellen UFC-Karte bezahlt. Sonderwünsche dann mit der eigenen. Hier gibt es ein paar Bewegungsmöglichkeiten, wir haben ein schönes Sonnendeck, einen Pool, aber viel gibt es nichts zu machen. Draußen sind 45 bis 50 Grad, da ist nicht viel mit draußen herumrennen. Es ist eben das Hotelleben.
Ist diese Blase genauso abgeschottet, wie man sich das vorstellt?
Niemand kommt hier rein oder raus. Es gibt zwei, drei Shuttle-Busse für die Mitarbeiter, die sind in einem anderen Hotel untergebracht. Keine Ahnung, warum sie in einem eigenen Hotel untergebracht sind, Platz ist genug, hier sind mehrere Tausend Zimmer und vielleicht hundert Leute. Es ist verrückt und extrem abgeschottet. Unten ist die „Safe Bubble“, das sieht aus wie auf dem Mars. Alle sind eingepackt in Overalls, haben drei Mundschütze auf und noch eine Plastikscheibe vorm Gesicht. Die UFC sorgt wirklich dafür, dass kein einziger Krümel Virus in dieses Hotel kommt. Ich glaube auch, dass die UFC von allen Sport-Organisationen das meist ausgeklügelte und teuerste Testverfahren hat, was es gibt. Ich habe mich mit Mitarbeitern der UFC unterhalten und die wurden schon zehn bis elf Mal getestet. Die sind die ganze Zeit hier, es gibt keine Möglichkeit, die Insel allein zu verlassen. Alles ist abgeschottet. Als wir gelandet sind, gab es eine Polizeieskorte zum Hotel. Der Virus hat hier keine guten Chancen.
Eine einmalige Erfahrung, die du wahrscheinlich in der Karriere so auf die Art nicht nochmal erleben wirst.
Es sei denn, die UFC gibt mir die Möglichkeit, wenn ich am Samstag erfolgreich bin, wieder hier zu kämpfen. Es heißt, dass die UFC „Fight Island“ weiterlaufen lassen möchte, man will das wohl nicht nur für diese vier Events hier aufgebaut haben. Wenn ich die Möglichkeit habe, komme ich gerne wieder hierher. Es ist eine verrückte Erfahrung und es natürlich auch körperlich anstrengend, sich hier erst einmal an die Hitze zu gewöhnen. Die ersten beiden Tage waren richtig brutal. Da haben wir kleine Workouts im Zimmer gemacht. In meiner ersten Einheit habe ich 2,8 Kilo verloren und die ging nur 20 Minuten. Es ist hier einfach nur der Wahnsinn.
Wie kommt ihr mit dem Training zurecht? Die UFC hatte angekündigt, auch dafür Gebäude aus dem Boden zu stampfen.
Es gibt auch hier das Performance Institute. Wir haben Zugang zum normalen Fitnessstudio des Hotels mit separatem Kraftbereich. Das PI hat einen Konferenzraum eingenommen für das Training. Die haben auch ihre eigenen Köche mitgebracht. Wir müssen also nicht mal in die Restaurants gehen, wir bekommen genau das gekocht, was wir als Kämpfer brauchen. Ich bin relativ leicht in die Woche reingekommen, weil die Vorbereitung kurz und ich nicht so austrainiert wie sonst war und die haben mir hier jeden Wunsch erfüllt und alles ist perfekt abgekocht. Dann noch einen eigenen Supplement-Profi, der das für jeden Kämpfer abstimmt, damit wir bestmöglich ausgestattet sind. Dann noch jemanden für den Weight Cut, der unser Gewicht überwacht und sicherstellt, dass wir gut abkochen und rehydrieren. High Level Standard.
So muss es auch sein, wenn man in der UFC, der Champions League des MMA-Sports, angekommen ist.
Aber dennoch, wenn man es mal mit anderen Organisationen vergleicht, das macht einfach niemand. Dass die UFC sich darum kümmert, dass die Kämpfer topfit in den Kampf gehen. Es gibt eigene Physiotherapeuten, normalerweise bringen die Kämpfer die ja selbst mit. Das geht hier einfach über Whatsapp. Meine Beine waren gestern ein wenig schwer, also kurz geschrieben, den Termin gemacht und dann gab es anderthalb Stunden Massage. Das ist ein absolut krasser Service.
Wie ist es, unter diesen ganzen MMA-Legenden herumzulaufen? Im Programm stehen vier frühere UFC-Champions, drei weitere Titelherausforderer, dazu Peter Sobotta und eben mittendrin Niklas Stolze, der Junge aus Magdeburg.
Da kriegt man schon ein wenig Gänsehaut, wenn das einem durch den Kopf geht. Es ist so krass, dass man sich so ein klein wenig dazuzählen kann. Natürlich heben die sich noch mal ab, weil sie schon einen langen Weg hinter sich und sich in der UFC etabliert haben. Es ist schon super aufregend, aber wenn man die Leute hier trifft und kennenlernt, ist alles sehr unkompliziert. Vielleicht sind die Kämpfer ohne Fans auch einfach ein wenig entspannter. Man läuft sich über den Weg, schnackt kurz, macht ein paar Fotos und Selfies. Es ist eine sehr entspannte Atmosphäre, weil wir Kämpfer alle unter uns sind und nicht Tausend Fans ankommen, mit denen auch ständig Fotos gemacht werden müssen. So stört es die anderen wahrscheinlich nicht. Für mich ist es immer noch unglaublich, dass ich auch auf so einer Fight Card kämpfen kann mit solchen Namen, gerade Whittaker und Till, von denen ich ein großer Fan bin, eigentlich von jedem, der hier rumspringt. Das ist atemberaubend, diese Erfahrung ist aktuell die schönste Zeit meines Lebens.
Bist du auch deinem Gegner Ramazan Emeev schon über den Weg gelaufen?
Ja, am Montag, als wir aus der Quarantäne raus konnten, standen wir sogar nebeneinander auf dem Laufband, ich allein, er mit seinem Team. Er scheint ein korrekter und sympathischer, bodenständiger Typ zu sein. Heute sind wir uns beim Essen abholen wieder über den Weg gelaufen. Alles entspannt. Irgendwelche Sprüche zu drücken, das Recht nehme ich mir sowieso nicht heraus. Er ist ein super starker Gegner. Er zählt in Europa zu den erfolgreichsten Jungs im Weltergewicht, er war lange Champion bei M-1 Global und hatte dort eine krasse Siegesserie. Er hat auch in der UFC drei Kämpfe gewonnen, ein echter Veteran. Aber es ist jetzt auch nicht so, dass er der krasseste Kämpfer überhaupt ist. Er hat jetzt nicht den besten Takedown oder das knusprigste Striking, er ist einfach sehr solide und stark. Ein echter Veteran, so wirkt er auch, er ist sehr ruhig. Wir werden uns bis zum Kampf bestimmt noch über den Weg laufen, wir sind ja schließlich im gleichen Hotel und dann treffen wir uns ja eh wieder in der Käfigmitte und dann geht es einfach ab.
War diese kurze Vorbereitung auf Emeev und das Debüt für dich eher Fluch oder Segen? Auf der einen Seite kann man sich nicht so spezifisch auf den Gegner vorbereiten, wie sonst. Auf der anderen Seite macht man sich aber vielleicht nicht so verrückt. Wie war es für dich?
Ja, das verrückt machen ist ein guter Punkt. Wenn man den Vertrag unterschreibt und vier Monate Camp vor sich hat, bei dem man auch auf Reisen ist, guckt man sich ja monatelang fast jeden Tag den Gegner an und ist monatelang super heiß. Das hatte ich nicht, mein Kopf ist frei. Ich bin sehr ruhig und entspannt. Ich bin einfach froh, dass ich hier bin. Ich hatte jetzt nicht das krasseste Camp, aber man darf nicht vergessen, dass ich von Januar bis März schon eine gute Vorbereitung auf meinen Kampf bei Oktagon hatte, in der ich mich so fit gefühlt habe, wie noch nie. Es war das beststrukturierte Camp, was mein Trainer Sascha je aufgestellt hat. Natürlich kam dann der Lockdown und Covid, ich bin ohne Kampfgage und ohne Gyms in ein finanzielles Loch gefallen. Ich habe dadurch aber meinen Körper ausgeruht und bin danach sofort wieder ins Training rein. Ich mache den Sport jetzt zehn Jahre, ob ich jetzt acht Wochen, zehn Wochen oder zwei Wochen Vorbereitung habe, für diese Möglichkeit interessiert mich das nicht. Ich will rein, das Leder fliegen lassen und einfach zeigen, was ich kann, woraus ich gemacht bin und dass ich die Eier habe, kurzfristig einzuspringen. Für ihn ist es vielleicht anstrengender, weil er sich auf einen ganz anderen Gegner vorbereitet hat. Er musste sich umstellen, ich nicht. Mein Kopf ist frei. Wir haben aber natürlich trotzdem nicht geschlafen. Ich habe Peter Sobotta in seiner Vorbereitung geholfen, als der Anruf kam und danach haben wir so viel Kondition geschrubbt, wie möglich, noch ein bisschen Feinschliff gemacht und jetzt kann es losgehen.
Gibt es etwas Bestimmtes, dass du am Samstag zeigen möchtest?
Auf jeden Fall mein Striking. Man kündigt mich seit Jahren als Kickboxer an und es gibt immer noch Leute, die sagen, ich kann es nicht gut genug. Aber wir haben immer weiter daran geübt und MMA-Striking ist ja auch anders als Kickboxen. Aber schlussendlich will ich einfach richtig Spaß haben und das Feeling aufsaugen, die Luft schnuppern. Für mich geht die Karriere jetzt erst richtig los. Jetzt kommt das richtige Kämpfen, jetzt geht es gegen die besten Jungs der Welt. Jetzt kann ich zeigen, woraus ich gemacht bin. Ich muss natürlich auf seine Takedowns aufpassen, obwohl er zuletzt kaum gerungen hat. Er will vermutlich auch mit mir schlagen, er ist ein Hauer. Ich glaube einfach, es wird eine Schlacht.
Als Kämpfer aus Russland wird eigentlich auch erwartet, dass Emeev mit Takedowns arbeitet.
Also selbst, wenn wir ringen, habe ich in der Hinsicht ja auch nicht geschlafen und viel gerungen und Grappling trainiert. Ich bin erst seit letztem Jahr Purple Belt und habe mittlerweile gute Submissions im Repertoire. Ich bin vom Rücken aggressiv und aktiv, meine Takedown-Defense am Cage ist eigentlich super. Dadurch, dass so wenig Zeit war, habe ich meinem Team gleich gesagt, ich will mich gar nicht so sehr auf ihn konzentrieren, sondern darauf, was ich kann und was ich kontrollieren kann. Und so wird es dann auch laufen, man muss einfach situationsbedingt reagieren. Wenn er mich zu Boden bringt, dann muss ich mir eben den Rücken holen und ihn abwürgen. Und wenn er mir den Arm gibt, dann wird der gehebelt. Ich habe Leute ausgegrapplet und ausgeknockt, bei denen es mir keiner zugetraut hat. Es ist Sport und es sind Vier-Unzen-Handschuhe, da kann alles passieren. Ich freue mich einfach darauf, dass der Kampf jetzt endlich vor der Tür steht.
Du hast vorhin das Finanzielle während der Pandemie angesprochen. In einem Interview hast du sogar zugegeben, dass du nach dem Ausfall deines Kampfes für Oktagon sogar ans Karriereende gedacht hast. Wie nah warst du, die Handschuhe an den Nagel zu hängen?
Es hatte mehrere Gründe. Ich mag die deutsche MMA-Szene und meine Jungs und die regionale Szene, das im Gym sein und das Leute durch den Sport einen anderen Fokus setzen, aber man muss es auch so sehen, dass ich das seit 2014 mache und all meine Energie reinsetze und ich habe nie irgendwas verdient. Ich bin aus jedem Kampf mit einem Minus rausgegangen. Ich habe immer mehr investiert, als ich als Gage rausbekommen habe. 2018 haben wir uns dazu entschieden, unser eigenes Gym aufzumachen, da gab es auch Hindernisse. Ich komme aus Schönebeck, da gibt es keine Gyms. In Magdeburg gibt es zwei Gyms, die aber keine Wettkämpfer stellen. Und dann eben uns mit Wettkämpfern. Wir sind also auch nur für uns und beißen uns allein durch. Es gibt keine große mediale Unterstützung, weil MMA immer noch nicht im Fernsehen ist. Ich bin auch nicht dieser Typ, der auf Instagram groß rumposiert und sich als großer Held ankündigt. Und in der Vorbereitung für Oktagon habe ich einfach fast 5.000 Euro in die Hand genommen und für den Kampf investiert für Training, Ernährung, Reisen zum Trainingscamp, Trainingspartner. Und dann stand ich nach der Absage des Events einfach mit Null da. Dann kamen dann noch private Sachen dazu und dann hatte ich einfach keinen Bock mehr auf den Kram.
Die Bezahlung und der Stellenwert des MMAs in Deutschland sind Kritikpunkte, die du ja bereits im vergangenen Jahr bei uns geäußert hast.
Ich drifte jetzt ab und will auch keine Namen nennen. Aber wir haben einige Clowns in der deutschen Szene, die sich hinstellen und Aufmerksamkeit kriegen, die aber keine Sekunde auf den Straßen Magdeburgs bestehen würden. Die würden bei uns aufgefressen. Weil die Leute hier es nicht cool finden, wenn man rumrennt und sagt, man ist der Größte. Ich hatte auch mal einen Höhenflug, bis mich die alten Leute aus Magdeburg, die die echten Werte verkörpern, wieder runtergeholt haben und mir klar gemacht haben, dass ich kein Superstar bin. Das hat mich geerdet. Aber dieses ganze Drumherum haben mich dazu gebracht, dass ich mich daheim eingeschlossen und zu meiner Frau gesagt habe, dass ich keinen Bock mehr darauf habe und nicht mehr kämpfen will. Da gab es auch ein wenig Funkstille mit meinem Coach, wir haben uns nicht gestritten, aber wir waren allgemein unzufrieden. Wo soll die Motivation auch herkommen, wenn du dir jeden Tag den Arsch aufreißt und am Ende des Monats bleibt nichts übrig. Das ist extrem kräftezehrend. Also ja, der Gedanke war da. Aber dann kam der Anruf aller Anrufe.
Klingt nach einem Wink des Schicksals.
Meine Motivation kam schon vorher zurück. Aber das Feuer ist jetzt wieder richtig da. Man kann sich nicht vorstellen, wie die in meiner Stadt gerade durchdrehen, dass ich es in die UFC geschafft habe und jetzt werden noch mehr Leute darauf aufmerksam. Das freut mich natürlich. Ich bekomme so viele Nachrichten, dass ich Leute motiviere, Kinder wollen sich wegen mir zum Sport anmelden. Das ist das, was ich will. Das ich den Leuten zeige, dass man mit harter Arbeit nach oben kommt. Jetzt ist das eingetreten, was ich mir schon immer gewünscht habe. Jetzt ist die Zeit, den Stier an den Hörnern zu packen. Mein Leben hat sich jetzt schon komplett verändert. Das soll nicht großkotzig klingen, aber ich bin der Erste aus meiner Stadt, der es in die UFC geschafft hat. Ich bin der erste Kämpfer aus dem Osten in der UFC. Und ich freue mich einfach darauf, wenn ich jetzt so ein wenig den Vorreiter machen kann.
Im letzten Jahr hast du gesagt, dass die deutsche Szene jemanden braucht, der sie in der UFC huckepack nehmen kann. Jetzt hast du die Chance, dich in der UFC zu beweisen. Verspürst du daher mehr Druck vor diesem Kampf?
Ich mache mir eigentlich keinen Druck. Ich denke immer noch, dass wir so jemanden brauchen und ich das Zeug dazu habe. Aber erst einmal muss ich mir selbst beweisen, dass ich das kann. Ich bin so viele Sachen und Abläufe vor meinem inneren Auge durchgegangen, das es jetzt soweit ist und dass es so schnell kommt, ist wie ein Film. Ich muss das alles erst noch realisieren. Aber wenn ich derjenige sein soll, der die deutsche Szene huckepack nimmt, dann bin ich das und dann werde ich alles, was in meiner Macht steht, dafür tun und die besten Kämpfe und die besten Performances abliefern um zu zeigen, dass wir mithalten können und das wir uns nicht verstecken müssen. Das was ich schon immer sage. Schau mal, in welcher Gesellschaft ich mich befinde. Ich habe mich nie zu einer Elite dazugezählt, weil die immer separat war, aber jetzt bin ich in der Elite-Liga drin. Jetzt kämpfe ich in der gleichen Liga, wie ein Nasrat Haqparast oder Ottman Azaitar, die super starke Kämpfer sind. Wie Peter Sobotta, den ich für den besten Kämpfer halte, der je aus Deutschland in der UFC gestartet ist. Oder ein Jessin Ayari oder David Zawada. Die haben alle Eier und können alle kämpfen. Wir sollten einfach gemeinsam Deutschland huckepack nehmen. Auch, wenn ich wahrscheinlich der einzige bin, der mit deutscher Fahne einläuft. Viel mehr motiviert mich aber, dass ich jetzt richtig viel für meine Region erreichen kann. Ich kann Magdeburg auf die Landkarte bringen, wir haben schon große Pläne für unser Gym und wenn in fünf Jahren die La Onda Sportakademie anstatt des MMA Spirit oder Planet Eater als das beste Gym gilt, dann setze ich mir die Krone auf. Aber solange Deutschland sich nicht zum MMA bekennt und die Leute beim Fernsehen nicht den Stock aus dem Arsch ziehen, wird es schwer genug, als einzelner Kämpfer etwas auszurichten, dann kommen wir alle nicht auf die Landkarte. Aber die Liebe, die ich jetzt aus meiner Region kriege, von den Zeitungen und Fernsehsendern, die jetzt plötzlich alle mit mir sprechen wollen oder den zehn Clubs, die After-Parties und Meet&Greets veranstalten wollen, zeigt mir, wo das Potenzial liegt und wo es hingehen kann. Aber meine Leistung muss stimmen. Ich will geile Kämpfe abliefern, damit die Leute sagen, der Stolze kämpft, dass schauen wir uns an.
Am Samstag wird dir bei deinem UFC-Debüt die Aufmerksamkeit jedenfalls gewiss sein. Was erhoffst du dir von deinem Debüt, vom Sieg abgesehen?
Wir werden am Samstag abreißen. Ich weiß, dass viele Leute nochmal einschalten und dazukommen und sich die UFC anschauen werden. Ich hoffe, dass die UFC das mitbekommt, dass Tausende Leute ein Abo abschließen. Dass die UFC sieht, da bewegt sich was und das Deutschland neue, starke Jungs hervorbringt. Und das die Leute in Deutschland wach werden und merken, dass man einen gewissen Weg gehen muss, um in die UFC zu kommen. Man muss durch Europa reisen, sich beweisen, auf großen Veranstaltungen kämpfen und der Welt zeigen, wer man ist. Wir müssen besser zusammenarbeiten, unsere Szene muss noch besser und schöner werden. Wir leben im Jahr 2020 und MMA ist seit 18 Jahren in den USA so groß. Wieso kriegen wir das nicht hin? Kein deutscher Top-Ten-Kämpfer sollte nebenher überhaupt nur ans Arbeiten denken müssen. Ab ins Gym mit euch, formt euer Team, zieht junge Leute nach. Die Leute sagen mir immer, ich hätte utopische Vorstellungen, aber es ist nicht utopisch, es ist machbar. Ich erhoffe mir einfach, dass unsere Szene in Zukunft noch besser und schöner miteinander arbeitet.
Das Interview führte Alexander Petzel-Gligorea
Niklas Stolze kämpft am Samstag gegen 23:30 Uhr im zweiten Kampf des Vorprogramms von UFC Fight Island 3. Sein Kampf wird live auf dem UFC Fight Pass übertragen, der ab 9,99 Euro monatlich auf ufc.tv erhältlich ist. Das anschließende Hauptprogramm zeigt DAZN live ab 2 Uhr nachts.