Khalid Taha: Die Leute sind extrem, extrem undankbar
Khalid Taha erscheint auf dem Bildschirm. Er sitzt in seinem Hotelzimmer in Las Vegas, in dem er unter Quarantäne steht. Am Samstag wird er zum ersten Mal seit knapp einem Jahr wieder in der UFC kämpfen, sein Gegner ist Raoni Barcelos, ein in der UFC noch ungeschlagener Brasilianer.
Es ist Mittwoch, ein paar Tage vor dem großen Abend, Taha hangelt sich von Interview zu Interview, später wird er noch seine Reebok-Ausrüstung abholen und 200 Event-Poster signieren. In der Hand hält er einen Wasserkanister zur Vorbereitung des Weight Cuts. Er fragt, ob das Interview als Video gepostet wird, denn dann würde er noch schnell seinen Trainingsaufzug durch andere Kleidung ersetzen. Es wird nur Text, er kann sitzen bleiben.
GNP1: Khalid, wie war die Reise in die USA? Während Corona ist es ja vermutlich gar nicht so einfach, da hinzukommen…
Khalid Taha: Die Reise war ganz normal. Ein paar Extra-Unterlagen brauchst du schon – aber ich hatte alles, was ich brauche. Ich wurde dann mit einer eigenen Limousine vom Flughafen abgeholt und hier hingefahren. Wir haben wie so eigene Bungalows – eigene Häuser mit eigenem Eingang, eigene Security – du kommst nur mit deiner eigenen Karte rein. Du siehst kaum jemanden sonst. Ein extremer Aufwand, richtig krass.
Jetzt stehst du unter Quarantäne und vertreibst dir die Zeit mit Netflix? Und wie viele Corona-Tests hast du schon hinter dir?
Nein, nein (lacht). Ich habe eine Suite und einen Workout-Room, der selbst eine Suite ist (lacht). Ich habe ein Badezimmer, eine Küche. Du kannst Essen bestellen, dann bringt die Security das bis vor die Tür. Es lässt sich aushalten. Tests habe ich einige hinter mir, bevor ich geflogen bin. Dann habe ich noch einen Test gemacht, als ich gelandet bin und am Freitag nach der Waage kommt noch einer.
Also heißt es bis dahin: vorsichtig sein.
Ich geh direkt auf den Strip (lacht). Nein, Spaß. Du darfst machen, was du willst. Aber du passt natürlich auf, damit ja nichts schiefläuft.
Bist du bei den Tests Team Nasen- oder Team Rachenabstrich?
Ich bin auf jeden Fall Team Rachen (lacht).
Du hast gesagt, du hältst deinen Gegner für einen starken Typen, der aber noch nicht gegen jemanden wie dich gekämpft hat. Eigentlich hattest du ohnehin einen anderen Gegner, Jack Shore, der aber ausgefallen ist. Wie schwer ist dir die Umstellung gefallen?
Da ist nichts, wo ich mich unbedingt komplett verstellen muss. Ein ähnlicher Gegnertyp. Der sollte im März schon gegen die Nummer elf oder zwölf kämpfen (gegen Cody Stamann, mittlerweile Rang 13, d. Red.) – wegen Covid ist der Kampf ausgefallen. Er ist auf jeden Fall Top-Ten-Kaliber, und der Sieg gegen ihn katapultiert mich auf jeden Fall in die Top 15.
Dein letzter Kampf war in einem riesigen Stadion, jetzt kämpfst du im UFC Apex, im Grunde einem leeren Lagerhaus. Ohne Zuschauer. Was erwartest du von dieser Erfahrung?
Das wird wie so eine kleine Haus-Gala. Haus-Gala auf höchstem Niveau. Dort sind das Presseteam, die Trainer, Sean Shelby, Dana White. Ein paar Männecken sind da, also ja, wie auf einer kleinen Haus-Gala.
Der Elefant im Raum ist deine USADA-Sperre: Nach deinem Kampf bist du positiv auf den Stoff Furosemid getestet worden. Wie ist es aus deiner Sicht dazu gekommen?
Ich hatte vor dem Kampf eine heftige Augenentzündung. Das hat sich ewig gezogen, ich war bei zig Ärzten, die mir auch wirklich gut geholfen haben. Es ist dann auch besser geworden, aber nie ganz zurückgegangen. Und dann habe ich nach der Waage beim Aufladen wieder diese Schwellungen bekommen. Meine Augen sind komplett zugeschwollen und haben getränt. Wahrscheinlich durch den Weight Cut oder das Aufladen danach. Ich war nicht in der Lage, zu kämpfen. Die Ärzte hätten mich nicht freigegeben, und ich habe ohnehin auch nur komplett verschwommen gesehen. Dann habe ich was bekommen, was die Schwellung löst. Und ja, da hat sich hinterher rausgestellt, dass da ein verbotenes Mittel drin war mit 0,000003 Nanogramm.
Nasrat Haqparast hatte vor ein paar Jahren das gleiche Problem vor einem seiner Kämpfe – ein paar Minuten vor Start des Events wurde sein Kampf abgesagt.
Ja, eben – Nasrat durfte nicht kämpfen. Da hatte ich keinen Bock drauf. Du musst dir vorstellen, ich war vier Monate auf Reisen: Ich bin von Marokko über Dubai und Amerika nach Australien. Ich habe so viel Geld ausgegeben, so viele Leute haben auf diesen Kampf gewartet. So viel hing davon ab. Ich musste Geld verdienen. Das war so schlimm für mich… Die Leute hätten mich in der Luft zerrissen, wenn ich zehn Minuten vorm Kampf abgesagt hätte. Niemand hätte das akzeptiert. Jeder hätte gesagt, der hatte Angst, der hatte dies, der hatte das. Ich konnte mir das einfach nicht leisten. Ich war verzweifelt und wusste nicht, was ich machen soll.
Wie hast du die Reaktionen aus Deutschland wahrgenommen?
Ich mache mir da keinen Kopf drum. Ich freue mich über jeden Support und bin da richtig dankbar für. Aber du kannst 30 zu 0 sein mit 30 Knockouts. Und wenn du dann den 31. Kampf verlierst, redet jeder über diesen Kampf und sagt: Wusste ich doch, der hat nur Flaschen gekämpft. Die Leute sind extrem, extrem undankbar.
Wie gehst du mit der Kritik um? Tunnelblick auf deine Karriere und Ausblenden des Rests?
Den habe ich sowieso komplett. Für mich zählen meine Familie, meine Karriere, die Menschen um mich herum. Die mich lieben und die ich liebe. Ich lese auch nie irgendwelche Kommentare. Du hast oft Familienmitglieder, die kennen das noch nicht. Die können mit solcher Kritik nicht umgehen. Denen sage ich nur: Schickt mir nichts, erzählt mir nichts, sagt mir nichts. Ich will nicht wissen, wer mich beleidigt, wer schlecht über mich redet. Alles, was schön und gut und positiv ist: her damit. Alles andere interessiert mich nicht. Blende ich aus, lese ich nicht, juckt mich nicht.
