Masse oder Klasse: Anthony Joshua im Mega-Fight gegen Oleksandr Usyk
2012 standen sie nacheinander in London auf dem Olympischen Treppchen, neun Jahre später treffen die beiden Olympiasieger Anthony Joshua und Oleksandr Usyk fast an gleicher Stelle erneut aufeinander. Dieses Mal jedoch kämpfend im Ring, Joshuas drei Weltmeistertitel stehen auf dem Spiel. Aber nicht nur das, sondern auch der Mega-Fight gegen Tyson Fury.
Denn der Schatten des „Gipsy Kings“ liegt über diesem Duell, schließlich befanden sich Fury und Anthony Joshua (24-1, 22 KO) bereits auf der Zielgeraden für einen Vereinigungskampf im Schwergewicht, als ihnen Deontay Wilder in die Suppe spuckte und vor einem Schiedsgericht einen dritten Fury-Kampf erzwang. So muss Joshua die Wartezeit noch einmal mit einer Pflichtverteidigung überbrücken, dieses Mal gegen den WBO-Pflichtherausforderer Oleksandr Usyk (18-0, 13 KO).
Das englische Kraftpaket schoss 2017 mit dem Knockout gegen Wladimir Klitschko durch die Decke und hätte der nächste Star am Schwergewichts-Himmel werden sollen, doch so richtig scheint der Funke außerhalb Englands noch nicht überzuspringen. Uninspirierte Kämpfe gegen Carlos Takam und Joseph Parker taten ihr übriges dazu und als Joshua auch noch über Andy Ruiz stürzte und in sieben Runden vier Mal zu Boden ging, schien er seine Kritiker zu bestätigen.
Seitdem machte Joshua jedoch alles richtig. Ein halbes Jahr nach seiner einzigen Karriereniederlage holte er sich seine Titel zurück, danach entledigte er sich IBF-Pflichtherausforderer Kubrat Pulev und bereitete so den Boden für den Fury-Kampf, der Joshua endgültig zum Aushängeschild des Schwergewichts machen soll.
Wenn er nicht vorher über Usyk stolpert. Der Ukrainer schrieb seine Erfolgsgeschichte im Cruisergewicht, wo er die World Boxing Super Series gewinnen und dabei die Titel der vier Weltverbände auf sich vereinen konnte. Nach einer Verteidigung gegen Tony Bellew ging es ins Schwergewicht, wo seine Karriere seitdem etwas ins Stocken geriet.
Die WBO erklärte ihn zwar im Einklang mit ihren Statuten zum Pflichtherausforderer, Gegner blieben jedoch rar. In zwei Jahren im Schwergewicht konnte Usyk nur Chazz Witherspoon und Dereck Chisora besiegen und tat sich mit Letzterem schwerer als erwartet. Nun könnte er sich mit einem Knall auch in der Königsklasse ganz nach vorne boxen.
Auf dem Papier lässt sich der Kampf leicht vorhersehen. Joshua hat die körperlichen Vorteile auf seiner Seite. Der Engländer ist länger und schwerer, kündigte jedoch bereits an, ein paar Kilos losgeworden zu sein. Der Ukrainer dürfte mittlerweile ein wenig mehr in seinen Schwergewichtskörper hineingewachsen sein, einen Unterschied von 40 Pfund wie gegen Chisora sollte man nicht erwarten. Die Frage bleibt jedoch, ob Usyk die Reichweite und den Jab Joshuas umgehen kann, um seine Kombinationen an den Mann zu bringen, oder ob sich am Ende Joshuas Physis durchsetzt.
Joshua machte im Vorfeld deutlich, dass er viel an seiner Taktik und Technik gefeilt hat und zeigen will, dass er nicht nur ein Athlet im Boxring, sondern ein echter Boxer ist. Gegen einen Techniker wie Usyk kann er das beweisen, ohne die große Gefahr eines Knockouts eingehen zu müssen. Zumindest auf dem Papier. Doch die Wahrheit liegt am Ende im Boxring.
DAZN überträgt den Kampfabend aus Tottenham am Samstag live, der Hauptkampf wird für 23 Uhr erwartet.