GNP-Editorial: Nein, Khabib ist nicht der GOAT.
UFC-Champion Khabib Nurmagomedov verteidigte am Samstag in Abu Dhabi seinen Titel erfolgreich gegen Justin Gaethje und verkündet im Anschluss an den klaren Sieg seinen Rücktritt vom MMA mit einer perfekten Bilanz. Für den inoffiziellen Titel als GOAT reicht das jedoch nicht.
Khabib Nurmagomedov: 29 zu 0. Eine beeindruckende Bilanz, zumal nicht im Boxen erreicht, sondern im MMA, wo auch Legenden gerne mehr als eine Niederlage in der Bilanz mitschleppen. Doch reicht auch diese Bilanz, so perfekt sie im MMA auch sein mag, nicht für den Platz im Olymp des Sports. Nein. Blickt man genauer hin, hat Nurmagomedov nicht einmal die eindrucksvollste UFC-Bilanz innerhalb der derzeit amtierenden UFC-Champions, die gehört eher Israel Adesanya, auch schon bei 22 und 0 im MMA.
Denn was der Mittelgewichts-Champion in dreieinhalb Jahren erreichte, neun Siege in der UFC inklusive Titel, das schaffte Nurmagomedov nicht. Adesanya besiegte innerhalb der letzten beiden Jahre die Mittelgewichts-Legende Anderson Silva, den zähen Kelvin Gastelum, Champion Robert Whittaker und die Kraftpakete Yoel Romero und Paulo Costa. Zusammen mit Derek Brunson sechs Kämpfer aus der Top Ten oder Top 5. Das sind bereits jetzt mehr Top-Kämpfer, als Khabib Nurmagomedov in seiner ganzen Karriere bezwingen konnte.
Denn der Dagestaner begann seine Karriere, indem er sich gegen unerfahrene Konkurrenz eine Boxer-Bilanz aufbaute. Von den 16 Gegnern, die er abseits der UFC besiegte, hatte die Hälfte zum Zeitpunkt des Kampfes mit Nurmagomedov keinen Sieg vorzuweisen oder bestritt seinen ersten MMA-Kampf. Im späteren ACA-Champion Ali Bagov und dem späteren Bellator-Kämpfer Shakhbulat Shamkhalaev, einem Federgewicht, erwischte Nurmagomedov zwei Prüfsteine, noch bevor sie zur aussagekräftigen Konkurrenz wurden.
In der UFC setzte der Dagestaner seine Siegesserie zwar fort, ließ Kämpfer wie Abel Trujillo durch die Luft segeln, doch auch hier dauerte es sechs Kämpfe, bis er mit Rafael dos Anjos einem Gegner gegenüberstand, der nach ihrem Kampf noch Erfolge in der UFC feiern sollte. Er war 2014 immerhin der erste Gegner aus der Rangliste für Nurmagomedov.
Ob durch eigenes Zutun oder Pech, auch in der Folge sollte das für Nurmagomedov Mangelware bleiben. Zweieinhalb Jahre lang stand er kaum im Käfig, besiegte nur den kurzfristig eingesprungenen Darrell Hocher. Nurmagomedov siegte weiter, doch Verletzungen und sein missratener Weight Cut vor UFC 209 gegen Ferguson, als er ins Krankenhaus musste, verhinderten Titelkämpfe für den Dagestaner, der erst 2018 um den Gürtel kämpfen konnte und dabei mit Al Iaquinta, der sich ursprünglich für drei Runden gegen Paul Felder vorbereitet hatte und 30 Stunden vor dem Kampf zusagte, über fünf Runden ging.
Seien wir ehrlich, erst 2018 kam Nurmagomedov wirklich in der UFC-Spitze an. Selbst Iaquinta ist für einen Kämpfer, der zum GOAT, zum besten Kämpfer der MMA-Geschichte, aufsteigen will, kein Maßstab, so solide und gut er auch ist. Als ob Michael Jordan der GOAT wurde, weil er die Cleveland Cavaliers der 90er besiegen konnte, solide Playoff-Teams ohne Chancen auf Ruhm. So sind es vor allem die letzten beiden Jahre, die im Vergleich mit anderen Legenden bewertet werden müssen und dort schneidet Nurmagomedov schlichtweg ungenügend ab.
Conor McGregor, Dustin Poirier und Justin Gaethje sind drei herausragende Kämpfer einer historisch starken Gewichtsklasse, doch drei Siege gegen Top-Konkurrenz sind zu wenig. Insbesondere, wenn man sich die zehn Titelverteidigungen und den Gürtel in der zweiten Gewichtsklasse von Georges St-Pierre, die künstlerische Erhabenheit von Anderson Silva auf dem Weg zu zehn Titelverteidigungen, Fedor Emelianenkos zehn Jahre ohne Niederlage im Schwergewicht, Aldos Dominanz im Federgewicht und Jon Jones Regentschaft im Halbschwergewicht ansieht, der sich durch eine hanebüchene Disqualifikation um die perfekte Bilanz brachte (und, zugegeben, durch Dopingtests).
Will ein Kämpfer zu den besten Kämpfern der Geschichte des Sports gezählt werden, so sollten dafür herausragende Leistungen gebracht und diese auch über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten werden, Strohfeuer an der Spitze gibt es schließlich genug, siehe Conor McGregor. Ersteres ist Nurmagomedov gelungen. Kein Zweifel, dass er eines, wenn nicht das beste Leichtgewicht der UFC-Geschichte ist. Der Zeitraum, in welchem Nurmagomedov dominierte, ist jedoch zu kurz.
Drei Titelverteidigungen gelangen schließlich auch Benson Henderson, der wahrscheinlich schon Probleme bekommen wird, in die UFC Hall Of Fame einzuziehen. Von Übertalent BJ Penn, der allein in seinen ersten zehn Profi-Kämpfen einem Who is Who des Leichtgewichts gegenüberstand, bevor er sich mit Kämpfen in viel zu schweren Gewichtsklassen die Bilanz vermieste und dann den rechtzeitigen Zeitpunkt des Karriereendes verpasste, ganz zu schweigen.
Khabib Nurmagomedov war, sollte er seine Ankündigung des Rücktritts durchziehen und nicht in den Käfig zurückkehren, ein herausragender Kämpfer. Ein unbesiegbarer Champion. Eine Legende. Doch „Greatest Of All Time“? Nein. Nicht mit diesen 29 Siegen, auch wenn darunter keine Niederlage ist.