Der 1. Mai in der MMA-Geschichte: PRIDE FC Grand Prix 2000 Finale
Am 1. Mai 2000 kam es im Tokyo Dome in Japan zu einem der wichtigsten Events der MMA-Geschichte, dem ersten Grand-Prix-Finale von PRIDE FC. Am 30. Januar mit 16 Teilnehmern gestartet, musste der spätere Gewinner Mark Coleman am 1. Mai gleich drei Mal in den Ring steigen. Die längste Zeit im Ring hatte jedoch Kazushi Sakuraba, der ganze 105 Minuten Kampfzeit hinter sich brachte.
Gerade einmal zwei Jahre hatte PRIDE FC zu Beginn des Jahres 2000 hinter sich gebracht und acht Events abgehalten. Viele noch unter der japanischen Prämisse, Wrestler beweisen zu lassen, dass ihre Kampfkunst auch in echten Duellen bestehen könne. Der größte Wrestling-Star im PRIDE-Ring, Nobuhiko Takada, sollte nur mäßigen sportlichen Erfolg einfahren, der zudem von Kontroversen begleitet wurde, doch ein Schüler sollte ihn um Welten übertreffen: Kazushi Sakuraba.
Wohl kein anderer Kämpfer schaffte es so sehr, Wrestling- und MMA-Fans gleichermaßen in seinen Bann zu ziehen. Und im Jahr 2000 sollte Sakuraba endgültig zum Superstar werden. Bereits auf den ersten PRIDE-Events hatte er sein Können gezeigt und sich mit Siegen über Veteranen wie Vernon White, Carlos Newton, Vitor Belfort oder Ebenezer Fontes Braga im Programm nach oben gekämpft, während Takada als Zugpferd die Main Events gegen Rickson Gracie und Mark Kerr verlor.
1999 sollte sich diese Rangordnung ändern, Sakuraba zum größten japanischen Star aufsteigen und der „Gracie Hunter“ die Bühne von PRIDE betreten. Denn bei PRIDE 8 im November 1999 schaffte Sakuraba Unvorstellbares und besiegte in Royler ein Gracie-Familienmitglied in einem MMA-Kampf. Natürlich nicht ohne Kontroverse, denn Gracie gab genau wie sein Vater Helio 1951 gegen Masahiko Kimura im gleichnamigen Schulterhebel nicht auf, der Ringrichter musste einschreiten und brach den Kampf 1:44 vor Ende der Zeit ab. Inakzeptabel für die stolze Gracie-Familie, die eine Revanche verlangte und Royce Gracie zum ersten Mal seit 1995 wieder ins Rennen schickte.
Die beiden Rivalen führten ein Teilnehmerfeld von 16 Kämpfern an, in dem ein Mix aus Ringern, Show-Wrestlern, Kickboxern und Jiu-Jitsu-Spezialisten ohne Gewichtslimit und mit neuen Regeln den besten MMA-Kämpfer des Planeten herauskristallisieren sollte.
Sakuraba erreicht nur knapp das Viertelfinale
Die Eröffnungsrunde am 30. Januar 2000 sollte jedoch hinter den Erwartungen zurückbleiben. Royce Gracie führte die Vendetta gegen Takada fort und tat es seinem großen Bruder Rickson mit einem ungefährdeten Sieg, auch ohne Submission, gleich. Auch Coleman, Kerr, Goodridge und Vovchanchyn hatten wenige Probleme mit ihren Gegnern. Sakuraba umso mehr.
Der Japaner traf auf Ken Shamrocks UFC-erprobten Teamkameraden Guy Mezger und der Amerikaner sollte Sakurabas Offensive über 15 Minuten nahezu neutralisieren. Nach Ablauf der Kampfzeit wurde ein äußerst kontroverses Unentschieden gewertet und eine Extra-Runde angesetzt. Doch zu früh gefreut. Mezgers Betreuer Ken Shamrock verlor die Fassung über das Urteil und schickte seinen Kämpfer einfach in die Kabine. Der Sieg für Sakuraba.
Mit acht verbliebenen Kämpfern und der alles überragenden Ansetzung zwischen Sakuraba gegen Royce Gracie ging es am 1. Mai in die Endrunde im Tokyo Dome. Diese wurde von Igor Vovchanchyn gegen Gary Goodridge eröffnet. Der gefürchtete Ukrainer benötigte dieses Mal zwar zehn statt fünf Minuten bis zum Knockout, sicherte sich so jedoch den zweiten Sieg im zweiten Kampf gegen Goodridge.
Sakuraba gegen Gracie kämpfen sich in die Geschichtsbücher
Nun war es soweit: Sakuraba gegen Royce Gracie. Und damit sich das Schicksal von Royler nicht wiederholen konnte, bestanden die Gracies auf Sonderregeln für dieses Duell. Keine Zeitbegrenzung, keine Punktrichter, kein Abbruch durch den Ringrichter, keine Ausreden. In Runden von jeweils 15 Minuten sollte solange gekämpft werden, bis einer der Kombattanten K.o. gehen oder aufgeben würde.
Das Duell selbst sollte kein technisches Feuerwerk werden. In Erwartung einer langen Kampfzeit gaben weder Sakuraba noch Gracie ein hohes Tempo vor. Immer wieder hing man in einzelnen Positionen fest, wartete ab, suchte den Vorteil im Clinch. Gracies Versuch, früh im Kampf zu übernehmen und Sakuraba schnell zur Aufgabe zu bringen, sollte sich rächen. Der Japaner verfügte über die bessere Kondition und bearbeitete immer wieder die Beine Gracies, als dieser auf dem Rücken liegend versuchte, Sakuraba in den Bodenkampf zu locken.
Nach sechs Runden Zermürbung, 90 Minuten Kampfzeit, war es dann vorbei. Die Gracie-Ecke warf das Handtuch, das Eingeständnis der Niederlage. Bis heute ist es der längste Kampf in der Geschichte professionellen MMA-Sports. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass dieser Rekord jemals gebrochen wird.
Colemans leichter Weg ins Finale
Doch das Turnier war noch lange nicht vorbei, denn in der zweiten Hälfte des Teilnehmerfelds sollte Mark Coleman, der seine Karriere mit zwei UFC-Turniersiegen und dem Gewinn des Superfight-Titels gegen Dan Severn begonnen hatte, zum großen Gewinner werden. Der amerikanische Ringer verließ die UFC nach drei Niederlagen in Folge und ließ sich in seinem PRIDE-Debüt von Nobuhiko Takada besiegen. Der Grand Prix sollte sein großes Comeback werden.
Nach einem schnellen Sieg über Kickbox-Weltmeister Masaaki Satake im Januar hatte Coleman auch mit „Mr. PRIDE“ Akira Shoji in den 15 Minuten wenig Probleme und erreichte das Halbfinale. Dort sollte er auf Kazuyuki Fujita treffen. Der japanische Wrestler, der erst im Januar sein MMA-Debüt gegeben hatte, sorgte im Viertelfinale für die größte Überraschung des Turniers, als er Mark Kerr in die Schranken wies und sich einen Punktsieg sicherte.
Zum Duell gegen Kerrs Freund und Mentor Coleman sollte es jedoch nicht kommen. Denn das Viertelfinale hatte Fujitas so sehr mitgenommen, dass er in den ersten Sekunden des Halbfinals das Handtuch werfen ließ. Colemans Ticket für das Grand-Prix-Finale war ein Freilos. Sein Finalgegner wurde im Duell zwischen Sakuraba und Igor Vovchanchyn ermittelt. Und Sakuraba war noch nicht fertig.
Mit 80 Minuten mehr Kampfzeit in den Knochen und 22 Pfund leichter als Vovchanchyn lieferte der Japaner eine beherzte Leistung ab, zerrte seinen Gegner mehrfach auf die Matte und ließ sich von den Treffern des Ukrainers nicht kleinkriegen. Nach 15 Minuten wurde die Runde unentschieden gewertet und eine Verlängerung angesetzt. Hier hatte Sakuraba jedoch genug und warf nach insgesamt 105 Minuten im Ring das Handtuch.
Colemans Rückkehr an die Spitze
Bühne frei für Mark Coleman gegen Igor Vovchanchyn und das klassische Duell Ringer gegen Kickboxer. Coleman tauchte bereits nach wenigen Momenten ab und warf den Ukrainer auf die Matte, wo er Vovchanchyn mit kurzen Schlägen bearbeitete. Vovchanchyns Guard hielt jedoch, sodass der Amerikaner ohne seine aus der UFC gefürchteten Kopfstöße wenig Schaden ausrichtete, das Geschehen aber mühelos kontrollierte und noch einen Kimura ansetzte, aus dem sich Vovchanchyn jedoch befreien konnte.
Der Ukrainer hatte dem kraftvollen Ringer insgesamt jedoch wenig entgegenzusetzen. Zwar erreichte er die zweite Runde, landete jedoch schnell wieder auf dem Rücken. Dieses Mal erreichte Coleman jedoch die North-South-Position und konnte nun brachiale Kniestöße zum Kopf des Ukrainers anbringen. Anders als Vovchanchyns Kniestöße im Vorjahr gegen Mark Kerr waren diese Treffer aufgrund der Rückenlage des Ukrainers legal.
Coleman feuerte einen Kniestoß nach dem anderen zum Kopf des Ukrainers ab, der in seiner ausweglosen Lage nur noch eines tun konnte: aufgeben. Nach 3:09 Minuten der zweiten Runde war der Kampf und der erste Grand Prix in der Geschichte von PRIDE FC vorbei. Coleman jubelte ausgelassen, stürzte beim Versuch, über die Ringseile zu springen, fast ab und feierte nicht nur einen Scheck in Höhe von 200.000 US-Dollar, sondern auch den größten Erfolg seiner MMA-Karriere und die Rückkehr auf den Thron des MMA-Schwergewichts.
Ein einzigartiges Turnier endete, doch die Ära PRIDE FC im MMA-Sport begann. Am 1. Mai 2000.
Den kompletten Grand Prix mit der Eröffnungsrunde im Januar und dem Finale könnt ihr auf dem UFC Fight Pass noch einmal Revue passieren lassen.